Was steht im diesjährigen Jahresgutachten des SVR? Zum Glück ist Achim Truger nicht nur Ratsmitglied, sondern auch Professor am ifso und konnte es uns am 26.11. online aus erster Hand erläutern.
ransformation gestalten: Bildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ – unter diesem Titel steht das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2021. Aber wer hat schon Zeit, die mehr als 500 Seiten durchzuarbeiten? Achim Truger fasste daher in seiner Vorstellung des Jahresgutachtens einige aus seiner Sicht besonders hervorzuhebende Punkte zusammen. Die Moderation von Vortrag und Fragerunde übernahm Carmen Giovanazzi, Doktorandin im am ifso angesiedelten Promotionskolleg „Die Politische Ökonomie der Ungleichheit“.
Kurz zusammengefasst
- Die Weltwirtschaft ist durch angebotsseitige Engpässe gestört. Die zu erwartende wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie verschiebt sich ins Jahr 2022. Das BIP Deutschlands wächts nach der Schätzung des SVR im Jahr 2021 um 2,7 % und im Jahr 2022 um 4,6 %.
- Höhere Inflationsraten waren zu erwarten, aber die Anstiege der Rohstoff- und Energiepreise sind stärker ausgefallen als gedacht. Die Inflationsrate der Verbraucherpreise wird für das Jahr 2021 auf 3,1 % und für das Jahr 2022 auf 2,6 % geschätzt. Ob es zu einem dauerhaften Anstieg der Inflationsrate kommt, hängt davon ab, wie die Lohnentwicklung verläuft. Anzeichen für Lohn-Preis-Spiralen sah Achim Truger zum Zeitpunkt des Vortrags nicht.
- Die Markteinkommen sind krisenbedingt deutlich gesunken. Die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen hat aber dank des Sozialstaats und zusätzlicher Maßnahmen nicht zugenommen. Auf dem Arbeitsmarkt gab es jedoch sektorale und gruppenbezogene Ungleichheiten. Insbesondere geringfügig Beschäftigte, Geringqualifizierte und Selbstständige sind von der Krise stark betroffen.
- Frauen sind im Vergleich zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2007ff. deutlich stärker von den Krisenauswirkungen betroffen, da diesmal auch der Dienstleistungssektor in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ingesamt sind die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt für Frauen und Männer ähnlich; ein anderes Bild ergibt sich, wenn Care-Arbeit stärker in den Blick genommen wird.
- Der Sachverständigenrat schlägt eine Reform des Ehegattensplittings vor, um die Erwerbsanreize für Zweitverdienende zu stärken und geschlechtsbedingte Ungleichheiten zu reduzieren.
- Bildungsrückstände durch die Corona-Krise haben insbesondere ohnehin benachteiligte Schüler*innen getroffen. Chancenungleichheit im Bildungssystem muss langfristig dringend reduziert werden.
- Im Gegensatz zur Haltung des SVR in der Vergangenheit wird Klimaschutz auch als eine auf nationaler Ebene dringend anzugehende Herausforderung verstanden.
- Die EZB sollte zeitnah eine Ausstiegsstrategie aus der expanisven Geldpolitik kommunizieren.
- Bei der Finanzpolitik gibt es im Rat unterschiedliche Auffassungen: Nach der Meinung von Schnitzer/Truger müssen die europäischen Fiskalregeln reformiert werden, da sie in einer Reihe von Ländern nicht mehr einzuhalten sind. Diese Länder brauchen einen größeren Spielraum bei der Anpassung an das Schuldenstandskriterium. Die neuen Regeln müssen stärker investitionsorientiert sein.
- Die öffentlichen Investitionsbedarfe in Deutschland sind aus der Sicht von Schnitzer/Truger sehr hoch. Diese können nicht durch Ausgabenkürzungen gedeckt werden. Da es sich um Zukunftsinvestitionen handelt, ist eine partielle Kreditfinanzierung ökonomisch sinnvoll. Die Spielräume, die die bestehende „Schuldenbremse“ bietet, sollten genutzt werden.
Achim Truger ist Professor am ifso und Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft der Bundesregierung. Seine Schwerpunkte: Deutsche und europäische Steuer- und Finanzpolitik